Prix Cluny 2014: Begrüßungsrede von Corinna Nienstedt

Cluny 29.11.14 059

Corinna Nienstedt, Geschäftsführerin der Handelskammer und Leiterin des Geschäftsbereichs International

Lieber Herr Kremeyer,
lieber Herr Schira, 1. Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
Monsieur le Consul Général,
lieber Herr Dr. Just,
liebe Mitglieder von Cluny,
sehr geehrte Damen und Herren von den befreundeten deutsch-französischen und französischen Vereinigungen in Hamburg (Amicale de Hambourg, Hambourg Acceuil und ABBAN),
meine Damen und Herren,
seien Sie alle sehr herzlich willkommen!

Ich spreche heute Abend zu Ihnen als Geschäftsführerin der Handels-kammer und nicht als Vorstandsmitglied der Deutsch-Französischen Gesellschaft CLUNY. An der Tatsache, dass ich diese zwei Hüte trage, können Sie schon ein bißchen ablesen, dass sich unsere Handelskammer mit CLUNY sehr eng verbunden fühlt. Aber auch CLUNY ihrerseits scheint sich mit und in der Handelskammer sehr wohl zu fühlen, denn sonst wären wir alle heute Abend nicht hier. Die Handelskammer freut sich jedenfalls, dass CLUNY nun schon seit vielen Jahren ihren Geburtstag und die Vergabe des Prix CLUNY hier bei uns im Albert-Schäfer-Saal feiert.

CLUNY wird heute 67 Jahre alt und hat damit das aktuell geltende – und ich füge hinzu – das in Deutschland geltende Rentenalter erreicht. Ich gratuliere CLUNY zu ihrem Geburtstag, und es ist selbstverständlich klar, dass die Gesellschaft nun nicht in den Ruhestand oder auch Unruhestand geht, denn sie ist aktiver denn je. Und das ist auch unglaublich wichtig – für Hamburg, für Deutschland, für Frankreich und für Europa.

In Zeiten der wirtschaftlichen und politischen Krise in Europa wird klar, dass der frühere Treiber der europäischen Integration – nämlich das Element des Friedens, der durch die europäische Einigung geschaffen wird – seine Bedeutung verloren hat. Das Argument, die europäische Einigung habe uns Europäern den Frieden gebracht und über so viele Jahrzehnte erhalten, wirkt auf die jüngeren Leute nicht mehr. Sie haben nicht die schrecklichen Erfahrungen machen müssen wie noch ihre Mütter und Väter beziehungsweise Großmütter und Großväter.

An die Stelle des Friedens ist als Treiber der europäischen Einigung das wirtschaftliche Wachstum getreten. „Europa ist für uns wichtig, weil es uns ökonomischen Erfolg bringt!“ So haben bis vor kurzem viele gedacht. Und es ist per se ja auch kein schlechtes Band, das uns verbindet. Es ist ein eher rationales und weniger emotionales Band, aber es hat einige Jahrzehnte lang gehalten und war neben den unzähligen menschlichen Verbindungen der Kitt, der unser europäisches Haus zusammengehalten hat.

Doch in Zeiten der wirtschaftlichen Krise wirkt dieses Argument nicht mehr. Deswegen gewinnen die separatistischen Bestrebungen an Bedeutung, wie man nicht zuletzt an den Ergebnissen der Europa-Wahl im Mai dieses Jahres ablesen kann. Was hat das jetzt mit Deutschland und Frankreich zu tun?

Ich glaube, es ist für Europa und für den Gedanken der europäischen Einigung sehr wichtig, dass wir wieder auf den Pfad des Wachstums zurückkommen. Und damit dies gelingt, müssen unsere beiden Länder noch sehr viel enger zusammenarbeiten als bisher. Frankreich und Deutschland sind der Schlüssel für den Weg aus der Sackgasse, in der sich Europa zur Zeit befindet. Zusammen stehen beide Länder für die Hälfte des Bruttosozialprodukts im Euro-Raum. Grund genug, um über mehr Koordination in der Wirtschaftspolitik nachzudenken. Doch mehr Koordination reicht nicht.

Die großen europäischen Volkswirtschaften müssen möglichst rasch weitere und deutliche Schritte in Richtung Modernisierungsreformen machen. Der französische Präsident hat hier noch Potenzial nach oben. Ratschläge aus Deutschland helfen hier übrigens nicht weiter. Sie wären unklug. Denn mit der schrittweisen Rücknahme der Agenda 2010 ist Deutschland in Sachen Reformen derzeit alles andere als ein Vorbild. Das Schimpfen auf den französischen Nachbarn – wie es derzeit in der Presse allenthalben zu lesen ist – wird auf der anderen Seite des Rheins als überheblich und arrogant wahrgenommen. Und die positiven Elemente, die Frankreich – gerade auch im Vergleich zu Deutschland – ins Feld führen kann, werden überhaupt nicht wahrgenommen.

Ich will nur zwei Punkte nennen:

  • Erstens: Frankreich hat nicht die demografischen Probleme wie wir hier in Deutschland.
  • Und zweitens ist die französische Infrastruktur (Straßen, Brücken, Schnellzugverbindungen und so weiter) weithin besser aufgestellt als bei uns.

Also, mein Plädoyer:

Wir sollten nicht so ohne Weiteres in den allgemeinen Ton des sogenannten „Frankreich-Bashings“ einfallen. Und wir sollten zur Kenntnis nehmen: Derjenige, der mit dem Finger auf jemand anderen zeigt, hat drei Finger, die auf ihn selber zeigen.

Was ich sagen möchte:

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ist derzeit nicht einfach. Unserer Gesellschaft – und jetzt spreche ich doch für CLUNY – kommt die wichtige Aufgabe zu, Mittlerin und Brücke zu sein und Verständnis für die Beweggründe unserer französischen Freunde zu schaffen. Und eine wichtige Aufgabe kommt auch unseren heutigen Preisträgern zu: Auch Sie können als Mittler zwischen Deutschland und Frankreich wirken. Nehmen Sie diese Aufgabe wahr, es lohnt sich.

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