Prix Cluny 2017: Deutsch-französische Türen öffnen

Rede zur Verleihung des Prix Cluny (Hamburg, 26. November 2017) von Preisträgerin Linnéa Hopp

Bonjour à toutes et tous ! Je suis ravie d’être ici aujourd’hui, ravie que je puisse partager ce moment fort de convivialité et d’amitié franco-allemande avec vous.

Man bat mich, im Rahmen der Veranstaltung ein wenig für die französische Sprache zu werben und ich muss zugeben, dass mir die Suche nach Argumenten trotz der eigenen Begeisterung zunächst nicht leicht fiel. Auch ich kann nicht behaupten, dass ich großen Gefallen an etlichen exceptions bei Verbkonjugationen oder déclencheurs des subjonctif finde.

Am Anfang faszinierten mich vor allem der sanfte Klang und die Musikalität des Französischen. In meinen Augen besaß die Sprache einen besonderen Charakter. Ich strebte an, eines Tages wie echte Französinnen und Franzosen sprechen zu können, das heißt, am besten wie der Präsident, mindestens aber so flüssig und korrekt wie die Stimmen der compréhension orale. Damals kannte ich noch keine jener vachement uneleganten Wendungen, die man heute in Pariser Straßen hört.

Fest steht, dass ich immer Freude daran hatte, Sprache anzuwenden. In der siebten Klasse führten wir ein kleines Theaterstück auf. Es hieß « Un client difficile ». Der client difficile, das war natürlich ich. Ich gab in einem Restaurant Bestellungen auf für meinen imaginären Freund, den die serveuse nicht sah. Bei der Aufführung wurde sie wegen der vielen Sonderwünsche wütend und knallte die Müslischüssel derart energisch auf den Tisch, dass sie einen Sprung bekam.

Wenngleich ich auf der Bühne kein Geschirr zerstörte, war ich ähnlich motiviert. Das Schauspiel zeigte, dass mit dem uns bekannten Vokabular bereits ganze Geschichten erzählt werden konnten. Wir nahmen durch Kommunikation und Interaktion die hohe Bedeutung der Sprache und ihre Unterhaltsamkeit wahr.

Ich sehe mein Leben oft als Labyrinth in der Größe des Universums, voller Räume und Türen verschiedentlicher Größe, Form und Masse. Im Zentrum des Labyrinths geboren, wähle ich von dort aus Schritt für Schritt meinen Weg. Ich bin überzeugt, dass das Erlernen einer Sprache wie dem Französischen zahlreiche Türen im Labyrinth des Lebens öffnet. Hinter einer Sprache stehen Menschen, Orte, Geschichte, Kultur… und die Kenntnis der Sprache stellt Verbindungen zu dieser wertvollen Vielfalt her.

Ich bin froh, dass ich Französisch lernen durfte. Ich kann damit spannende Länder auf unterschiedlichen Kontinenten bereisen und durch lebendigen Austausch mit Einheimischen Erhebliches dazulernen. Fortan sind es primär nicht neue Wörter, die mich bereichern, sondern Ansichten der Anderen und gemeinsame Erlebnisse. Ich kann an ihrem Leben teilhaben. Ich merke, dass man bereit ist, sich mir zu öffnen. Ich verstehe Differenzen eher, weil ich mehr über sie erfahre. Abgesehen von meiner stetig wachsenden Leidenschaft für französische Kunst und Literatur hat die intensive Beschäftigung mit der Sprache also auch dazu beigetragen, dass ich mich als Individuum, als Mademoiselle deutscher Herkunft, besser in unsere bunte Welt einordnen kann.

Zu guter Letzt steht meines Erachtens eine politische Botschaft hinter der Entscheidung, als Person aus Deutschland Französisch zu lernen. Es ist ein Schritt aufeinander zu, ein Symbol der Bereitschaft, dem Gegenüber zuzuhören und in schwierigen Situationen zusammenzuhalten. Meiner Ansicht nach brauchen wir einen authentischen, kontinuierlichen und konstruktiven Dialog zwischen den Staaten und Nationen innerhalb Europas sowie weltweit. Die deutsch-französische Kooperation kann dafür ein Vorbild sein.

Mein Interesse an der langue francaise, an den Menschen, die sie praktizieren und den Orten, wo sie in ganz eigener Art und Weise leben, ist bei Weitem nicht erschöpft. Gerne möchte ich noch viele deutsch-französische Türen öffnen. Ich hoffe sehr und bin zuversichtlich, dass dieser Wille nicht nur für uns hier Versammelte, sondern auch für andere Wissbegierige der jetzigen und kommenden Generationen gilt.

Linnéa Hopp absolviert derzeit einen Friedensdienst im Pariser Mémorial de la Shoah. HIER geht es zu ihrem Blog.

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