Ausstellungsbesuch: „Exil am Mittelmeer“

EXIL AM MITTELMEER – Deutsche Schriftsteller in Südfrankreich 1933 bis 1941.

Wenn im Juni 2008 der 50jährige Geburtstag der Städtepartnerschaft Marseille-Hamburg gefeiert wird, zeigt die Toepfer-Stiftung eine Ausstellung mit dem Titel „Exil am Mittelmeer“, in der an die Emigration der deutschen Schriftsteller 1933 – 1941 nach Frankreich erinnert wird. Die Frage, warum gerade ein kleiner Fischerort wie Sanary-sur-Mer zeitweilig zur „Hauptstadt der deutschen Literatur“ (Ludwig Marcuse) geworden ist, spielt darin ebenso eine Rolle wie Marseille – Fluchtpunkt und letzter Hafen zum Entkommen vor der drohenden Naziinvasion.

Die Namen der emigrierten Schriftsteller waren damals (und sind es zum Teil heute noch) die bekanntesten ihrer Zeit: an der Côte d’Azur lebten zeitweilig oder die ganze Zeit Lion Feuchtwanger, Franz Werfel, Thomas Mann, René Schickele, Franz Hessel, Ludwig Marcuse, und nahezu alle Schriftsteller, die nach Frankreich emigriert waren, kamen zu Besuch. Heinrich Mann lebte unweit von Sanary in Nizza, zeitweilig in einem Haus mit Joseph Roth und Hermann Kesten. Klaus Mann besuchte alle, um mit ihnen über Veröffentlichungen in seiner Exilzeitschrift zu verhandeln und selbst zu schreiben. “Es war ein ganz reiches geistiges Leben“, erinnerte sich Alfred Kantorowicz später, das gleichwohl ständig von der Angst um Deutschland und durch die materielle Not der weniger bekannten Autoren überschattet wurde. Die freundliche Aufnahme der Emigranten durch die Franzosen änderte sich schlagartig, als die deutsche Armee Nordfrankreich besetzte. Alle „feindlichen Ausländer“ wurden interniert; die meisten waren durch Ausbürgerung inzwischen staatenlos geworden, und es begann ein verzweifelter Kampf um Pässe, Ausreisepapiere, Schiffspassagen, Transit- und Einreisevisen nach Amerika, China, Kuba oder sonstwohin. In Marseille trafen sich Flüchtlinge aller Länder, die früher oder später in die Illegalität abtauchen mußten, bevor sie fliehen konnten wie Hannah Arendt oder Anna Seghers. Das betraf auch die antifaschistischen französischen Künstler, und so kam es, daß z. B. André Breton und Max Ernst zusammen auf ihre Amerikavisen warteten, ebenso wie Marcel Duchamp, der fast ein Jahr lang in Sanary Unterschlupf fand und dort an seiner berühmten „Boîte en valise“ arbeitete: sein kleines Museum im Koffer, das in der Ausstellung als Ikone des „Fluchtgepäcks“ zu sehen sein wird. Die meisten von ihnen verdankten ihre Flucht den „Schutzengeln“, denen ein großes Kapitel gewidmet ist – dazu gehören natürlich Varian Fry, Lisa und Hans Fittko und der Bürgermeister Azéma.

Die Ausstellung dokumentiert die Lebens- und Arbeitsbedingungen im südfranzösischen Exil; dabei werden vor allem Briefe, Fotos und Unterlagen aus dem Archiv der Monacensia in München zu sehen sein. (Dort wurde auch die Ausstellung zum ersten Mal gezeigt.) Es ist ein Kapitel der deutschen Emigration, die ganz zu Anfang dem mediterranen Licht folgte und dann erleben mußte, wie sich die Schatten der deutschen Katastrophe über das Mittelmeer legten. Riviera Underground war für manchen die letzte Rettung oder der Tod, wie für Walter Benjamin. Auch davon wird erzählt.

Die Ausstellung wurde von Ulrike Voswinckel und Frank Berninger erarbeitet. Die meisten Dokumente, vor allem Originalbriefe, Tagebücher, Romanmanuskripte und Fotos, stammen aus der Monacensia Handschriftenabteilung der Stadt München, die seit langer Zeit gezielt literarische Exilnachlässe sammelt und mit den Dokumenten von Klaus und Erika Mann und Hermann Kesten über ein reiches Material zum Thema Exil verfügt. Viele der in der Ausstellung gezeigten Briefe waren bis dahin unveröffentlicht; in dem Buch zur Ausstellung, das im Herbst 08 in den Éditions du Seuil erscheint, werden sämtliche Dokumente abgedruckt und zum ersten Mal auf Französisch zu lesen sein. Für Frankreich könnte das ein interessanter Blick auf die Seelenlage und die Lebensbedingungen ihrer damaligen Gäste sein.

Kuratorin der Ausstellung: Ulrike Voswinckel, München
Durch die Ausstellung führt: Susanne Wittek, Hamburg

  • 26. 6. 2008 um 15.00 Uhr
  • Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S., Georgsplatz 10
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